Oscar-Kandidaten 2016: Carol

Gestern begann die Abstimmung über die Nominierten der 88th Academy Awards. Glaubt man der Internetseite Metacritic (aggregiert Kritiken zu Filmen), so verdient Carol, als von Kritikern am meisten gefeierter Film diesen Jahres den Sieg in der Kategorie Best Picture. Fünf Golden-Globe Nominierungen und die Auszeichnung Rooney Maras als Best Actress bei den Filmfestspielen in Cannes deuten an, dass der Film bei den Awards durchaus realistische Chancen hat. Wie Boyhood jedoch letztes Jahr deutlich machte, sind die genannten guten Vorzeichen jedoch kein Garant, auch bei der Oscarverleihung abzuräumen. Lediglich in einer Kategorie gewann der Film: Ausgezeichnet wurde Patricia Arquette als Best Supporting Actress. Ein ähnliches Schicksal könnte Carol ereilen, beschränkt sich doch das Gespräch über den Film in Bezug auf die Oscarverleihung primär auf die Darbietungen von Cate Blanchett und Rooney Mara.
Eine Einschätzung, wie Carol sich in den unterschiedlichen Kategorien schlagen wird:

 

Best Picture

Eine Nominierung hier halte ich für wahrscheinlich, sie 3als sicher zu bezeichnen wäre allerdings gewagt. Dieses Jahr gibt es mit Spotlight und Mad Max: Fury Road nur zwei Filme, deren Nominierung ich in der Kategorie Best Picture für nahezu sicher halte. Das Feld von Filmen, bei denen eine Nominierung wahrscheinlich, aber nicht sicher ist, scheint dieses Jahr außergewöhnlich groß zu sein. Carol bewegt sich meiner Einschätzung nach jedoch klar am oberen Ende dieses Feldes. Zahlreiche Nominierungen bei den Golden Globes, die in Stein gemeißelte Nominierung Cate Blanchetts als Best Actress, die sehr wahrscheinliche Nominierung Rooney Maras in der gleichen Kategorie und die außergewöhnlich gute Rezeption seitens der Kritiker reichen aus, um eine Nominierung als Best Picture sehr wahrscheinlich zu machen. Einen Sieg halte ich für unwahrscheinlich, ausgeschlossen ist er aber nicht. Der komplexe Wahlvorgang kann dem Film zu Gute kommen, der sicher im Mittelfeld des Rankings vieler Wähler steht.

 

Best Director: Todd Haynes

Haynes ruhige Inszenierung und sein interessantes Spiel 3mit Farben machen Carol erst zu dem Meisterwerk, das es ist. Ähnlich sah das auch die HFPA (Hollywood Foreign Press Association), die Haynes für seine Regiearbeit bei den Golden Globes als Best Director nominierte. Unter seiner Führung erbrachten Cate Blanchett und Rooney Mara erst die ausgezeichneten schauspielerischen Leistungen, die nun in aller Munde sind. Eine ähnliche Betrachtungsweise seitens der Academy mag dazu führen, dass Todd Haynes kommendes Jahr zum ersten Mal in seiner Karriere als Best Director nominiert wird. Da aus einigen seiner Filme bereits Oscarnominierungen hervorgingen (unter anderem auch für ihn selbst in der Kategorie Best Writing – Original Screenplay), ist er den Wählern kein Unbekannter, was ebenfalls von Vorteil ist.

 

Darstellerische Kategorien

Cate Blanchett. Rooney Mara. Beide wurden mit Lob für 5ihre Darstellung überhäuft. Blanchetts Nominierung als Best Actress sehe ich als sicher an. Nicht nur, dass ihre Darbietung hervorragend ist, auch scheint sie bei Wählern in der Academy beliebt zu sein, wie ihre 2 Siege und 5 Nominierungen belegen. Ihren Sieg schließe ich allerdings aus. Erst letztes Jahr gewann sie ihren letzten Oscar in der Kategorie, ein so rascher Wiedergewinn ist selten. Ebenso ist die Konkurrenz durch jüngere Darstellerinnen groß, nicht zuletzt auch durch ihre Co-Darstellerin Rooney Mara. Ihre Nominierung als Best Actress halte ich ebenfalls für wahrscheinlich, lediglich die Diskussion, ob sie als Neben- oder als Hauptdarstellerin einzuordnen ist, könnte ihr Steine in den Weg gelegt haben. Ob Mara, sofern sie nominiert wird, einen Sieg davonträgt, kann ich schwer abschätzen, dazu sah ich zu wenig der konkurrierenden Leistungen. Ich schätze ihre Chancen jedoch eher gering ein, da sie und Cate Blanchett wohl die Stimmen der Carol-Anhänger unter sich aufteilen werden, sodass es für keine der Beiden zum Sieg reicht.

 

Production Design

Historiendramen dominieren die letzten Jahre diese 3Kategorie. Als solches stehen die Chancen einer Nominierung für Carol also gut. Zum Sieg wird es aber nur reichen, sollte der Film sich zum Favoriten in der Kategorie Best Picture entwickeln. Dies hat zwei Gründe: Einerseits sticht das Production Design im Vergleich zu den anderen Historiendramen dieses Jahr zu wenig heraus, zum anderen wird diese Kategorie einfach oft dadurch entschieden, welcher Film generell das größte Momentum hat. Es scheint, die Wähler könnten die Hochwertigkeit von Production Design ähnlich schlecht einschätzen, wie die meisten Zuschauer.

 

Cinematography

Die ruhige Kameraführung mit teilweise einfachen, aber 2 5.pngdennoch kreativen Einstellungen lässt Carol positiv herausstechen. Was fehlt ist das Offensichtliche. Für den Laien sticht die Kameraarbeit in Carol nicht als besonders hervor. Weder wirkt der ganze Film, als bestünde er aus nur einer Einstellung, noch wurde nur mit natürlichem Licht gedreht. Dieses, auch dem Laien die Brillanz der Kameraarbeit deutlich machende Element, fehlt Carol und macht einen Sieg unwahrscheinlich.

 

Technische Kategorien (Sound Editing, Sound Mixing, Visual Effects)

In den technischen Kategorien werden meistens 0offensichtliche Kandidaten wie Star Wars oder Gravity nominiert. Ich glaube nicht, dass sich das dieses Jahr ändert. Dementsprechend wird Carol in den technischen Kategorien keine Rolle spielen.

 

Best Makeup and Hairstyling und Best Costume Design

Wie schon in der Kategorie Production Design, sollte 2.pngalleine die Tatsache, dem Genre Historiendrama anzugehören, für eine Nominierung in der Kategorie Best Costume Design ausreichen. In der Kategorie Best Makeup and Hairstyling steht Carol jedoch nicht auf der Shortlist für Wähler und ist somit aus dem Rennen.

 

Original Score

Der von Carter Burwell komponierte Score des Films ist 2 5subtil und bleibt dennoch, vor allem dank des Abspanns, im Gedächtnis. Mangels klarem Favoriten ist eine Nominierung wahrscheinlich und ein Sieg, sollte sich das Momentum Carols entsprechend entwickeln, durchaus möglich.

 

 

 

Bild: Szenenbild aus „Carol“, 2015, © Wilson Webb / DCM

 

 

 

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