Deadpool

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=sa-KE1SJ2As]

Lang war die Welt in Pein und großem Zweifel,
bis Er erscheint und die Seele erfacht.
Ein Hoffnungsschimmer strahlt in unsere Herzen,
ein neuer Morgen bricht für uns heran.

Ein Weihnachtslied

Deadpool ist gemeint, offensichtlich. Der neue Antiheld des Marvel-Universums nimmt die Position eines Weltenherrschers ein. Er spricht die Stimme des Volkes, erfüllt sie doch genau jene generische Coolness, die der Zielgruppe des Marveluniversums zugeschnitten ist: Schon die erste Trailersichtung verrät die Energie des frechen Söldners, der den selben Auftrag erhalten hat, wie seine Vorgänger. Seine Erscheinung entspricht der Natur eines jeden Marvelcharakters, doch soll gerade Deadpool der unkonventionelle Antiheld des Universums sein.

Der Schwerpunkt der Erzählung liegt nicht in der Ausgestaltung einer besonders komplexen oder einzigartigen Geschichte. So trägt gerade diese Verankerung in der typischen, naiven Marvel-Welt dazu bei, dass die Charakterisierung des Titelgebers in den Vordergrund rückt. Dem Wortwitz, den popkulturellen Referenzen und dem regelmäßigen Bruch der vierten Wand gilt die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Dieser Zugang zur Wirklichkeit unterstreicht Deadpools transzendierende Position im Marvel Universum. Aus einer klassischen Marvelerzählung wird eine Marvelerzählung Plus. Fast würde man meinen, der Film präsentierte eine durchaus reflektierte Position der Filmschaffenden – so scheinen sie sich doch mit kleinen Schritten von den Konventionen des immer wieder gleich-langweiligen audiovisuellen Spektakels eines Superheldenblockbusters zu entfernen. Zwar zeigt sich dies in der parodischen Auseinandersetzung mit den herkömmlichen, klischeehaften Geschichten der Weltenretter, doch verstrickt sich diese Antithese letztendlich in der selben Oberflächlichkeit. Bei Deadpool handelt es sich um einen Film der Gegensätze: Eine bloße Beschreibung der Bilder wäre derb; die Wiedergabe der Sprache anstößig, trotzdem schwimmt Deadpool mit seinen filmischen Geschwistern in den seichten Gewässern des Blockbuster-Kinos.  TIFF_dp_FireplaceOnline_1400.jpg© 2015 Twentieth Century Fox

Die Massenwirkung dieser tsunamiartigen Überschwemmung der Filmlandschaft lässt sich als unbegreifliche Supermacht beschreiben, eine Gewalt der menschlichen Natur: Wie sonst ließe sich die Anziehungskraft verstehen. Die Stärke der eindimensionalen Figuren verbirgt sich eindeutig nicht in ihrer Aussagekraft. Und obwohl die Charakterisierung des Antihelden die große Stärke des Filmes ist, ist sein Charakter dennoch denkbar einfach gestrickt: Seine Zeichnung entspricht der Zuordnung von Adjektiven, die eben implizit mit einem coolen Söldner assoziert werden würden. Zwar kämen sicherlich Gegenstimmen mit expliziten Hinweisen auf persönlichen Wendungen des Charakters – aber Nein! Deadpool ist Deadpool bleibt Deadpool. Und das funktioniert soweit ganz gut.

Die Berechenbarkeit des Antihelden ist Vergleichbar mit der einer simplen Sinuskurve. Spannend wird Deadpool, weil die Komposition des Filmes mit einer erfrischenden, wohlklingenden Melodie gespielt wird – und deshalb bringt Deadpool Spaß. Die klischeehaften Witze funktionieren; sie lassen den Film sogar letztendlich atmen. Es scheint so, als hätten sich die Autoren dieser auffälligen Gleichschaltung bewusst bedient. So spielen sie ihre Melodie auf dem massenwirksamen Instrument, das dem Marvel-Universum seine seelenlose, generische Note verleiht. Deadpool befindet sich wegen seiner Sprache jedoch auf einer anderen Wellenlänge.

Rated R: Jugendliche unter 18 Jahren dürfen diesen Film in den USA bloß in Begleitung eines Erwachsenen sehen. In Deutschland hat dieser Film das FSK 16 Siegel erhalten. Mit diesem Schritt eröffnen sich für die Filmschaffenden neue Wege. Für den typischen FSK6 bis FSK12 Kinomenschen wäre dieser Film eine Offenbarung: Ein Blick durch das Schlüsselloch zur Erwachsenenwelt. (Nun ja, so naiv sind Kinder heutzutage wahrscheinlich nicht. Schließlich gibt es das Internet.) Die schmutzige Sprache käme den Jungen auch sicherlich unglaublich cool und verboten vor: Aber im Prinzip verhält sich Deadpool ebenso naiv und unschuldig wie ein Kinderfilm aus dem Hause Disney. Trotz der Altersfreigabe wagen sich die Autoren keinen Schritt an die Grenzen der Sittenhaftigkeit – der ach so unkonventionelle Superheldenfilm hält sich voll und ganz an gegebene Konventionen, schwingt dabei nicht einmal an die Grenzen des guten Gewissens. Deadpool integriert sich in die aalglatte PR Maschinerie des Studios. Damit verpassen die Filmschaffenden eine Chance: Schließlich braucht es Ecken und Kanten, um Aussagen treffen zu können.

Zwar wagt sich Deadpool mit vorsichtigen Schritten aus der Routine seines Marvel-Familienlebens, dennoch ist er kein Außenseiter. So ist der Versuch zu erkennen, sich von seinen Marvel-Geschwistern abzuheben, doch letztlich handelt es sich lediglich um eine uninspirierte Ausartung eines modernen Lifestyle-Begriffs. Sein inkonsequentes Auftreten repräsentiert die leichtbekömmliche Substanzlosigkeit, die den Marvel-Filmen eigen ist. Der Film bietet damit keine Ansatzpunkte, an welchen sich die Gedanken klammern könnten, außer: Cooler Typ, dieser Deadpool. Dieser Film bringt Spaß. Weiter geht’s!
2 von 5

Beitragsbild: Szenenbild aus „Deadpool“, © 2015 Twentieth Century Fox

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