Everybody wants Some!!

Nach dem hochambitionierten Indieprojekt „Boyhood“, das das Heranwachsen eines jungen Mannes über zwölf Jahre hinweg erzählt und 2014 Publikum wie Kritiker gleichermaßen verzauberte, kommt nun Richard Linklaters neuester Streich Everybody Wants Some!! in die Kinos.

Der Film geriert sich als Antithese zu „Boyhood“: Der Fokus liegt nicht auf einem einzigen Charakter über einen langen Zeitraum, sondern zeichnet ein buntes Figurenkabinett über wenige Tage.

Der frischgebackene College-Absolvent Jake kommt im August 1980 als Baseball-Spieler neu an eine namenlose Universität in Texas und zieht in das verwahrloste Haus der Baseball-Mannschaft ein. Wir begleiten Jake durch seine ersten Stunden in der unbekannten Umgebung und lernen ein wunderbares Sammelsurium an Originalen kennen.

Wer sich an dieser Stelle an Linklaters Dazed and Confused (Sommer der Ausgeflippten) erinnert fühlt, wird nicht enttäuscht: Ähnlich wie in seinem Durchbruchswerk verzichtet Linklater auf eine stringente Handlung und widmet sich ganz seine Figuren. So wirft er ein detailliertes Panorama des Universitätslebens auf die Leinwand und porträtiert nebenbei die aufkeimende Ausgeflipptheit der Jugendkultur Anfang der Achtziger Jahre.

Wie bei Linklater üblich liegen die Stärken des Films in der Zeichnung seiner Charaktere. Oberflächlich scheint es, als spiele der Regisseur bloß auf der Klaviatur universitärer Klischees und bediene sich an Stereotypen, wie dem langzeitstudierenden Kiffer, der arroganten Sportskanone oder dem einfältigen Mobbingopfer. Tatsächlich aber gelingt es Linklater einmal mehr meisterhaft, in pointierten Dialogen dem noch so kleinsten Nebencharakter Tiefe zu verleihen. Man lacht nie über die Figuren, sondern immer mit ihnen und amüsiert sich köstlich, wenn auf einmal der Außenseiter die Sportskanone in einer bizarren Variante von Fingerkloppe schlägt oder die umständliche Unsicherheit eines Frauenhelden enttarnt wird. So hat man während des Abspanns (hier lohnt das Sitzenbleiben) das Gefühl, in einen kurzen Ausschnitt des Lebens realer Personen eingetaucht zu sein.

Im Gegensatz zu Boyhood ist der Film durch den Mangel an einer echten Haupthandlung vermutlich zu sperrig, um bei den Awardverleihungen Ende des Jahres eine Rolle zu spielen, ein würdiger Nachfolger für Dazed and Confused ist er aber allemal.

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Beitragsbild: Entnommen aus dem Trailer zu „Everybody wants Some“

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