Transparent: Staffel 2

Auf Amazon Prime in OV/OmU

Kritik zur ersten Staffel von Transparent

„Life is complicated.“ – Aus Transparent: Staffel 1

Ein Lichtblick in der Serienlandschaft: So bezeichnete ich die erste Staffel von Transparent. Ein Amazon-Vorzeigeobjekt. Ich lobte das hohe Bestreben, das mit der Idee und Umsetzung einherging. Zu kritisieren war lediglich eine übermäßige Fixierung auf sexuelle Aspekte bei der Charakterzeichnung. Dies stand nicht im Einklang mit dem Ziel, jene präsentierten Identitäten in der Normalität zu verankern. Trotzdem wurde die Serie von einem hohen Unterhaltungswert geprägt, der als natürliche Konsequenz stilistischer Vielfalt entstanden ist. Mit Transparent präsentierte Amazon ein ungeheures Potenzial; schließlich war das Format dazu geeignet, einen neuen Standard als kurzweiliges Familiendrama zu setzen.

In der zweiten Staffel wird diese Linie nicht nur weitergeführt, sondern grundlegend bereichert. Die dramaturgische Struktur einer typischen Telenovela wird geschickt genutzt, um den eigentlichen Zweck der Serie zu realisieren. Ziel ist es, den wissenschaftlichen Diskurs in die Öffentlichkeit zu tragen – ihn zu popularisieren und Sensibilität zu schaffen. Auf diese Art und Weise wird der Zuschauer unbewusst mit Fragestellungen konfrontiert. Die zunächst so seichte und vertraute Familiendramatik wird hinsichtlich der wichtigen Thematiken untersucht. Wie in einer gelungenen Präsentation dient die erste Staffel als Einstieg, um das Interesse der Zuschauer binden; sie sozusagen thematisch und theoretisch einzuführen. Die zweite Staffel dient dementsprechend der kritischen Diskussion weiterführender Fragen. Ein tiefgründiges Verständnis der Debatte wird besonders deutlich, wenn in Transparent: Staffel 2 die eigene Position hinterfragt wird – das Familiendrama in ein anderes Licht gerückt wird.

“We don’t all have your family. We don’t all have your money. I’m a 53-year-old, ex-prostitute, HIV-positive woman with a dick.” – Aus Transparent: Staffel 2

Einerseits präsentieren die Macher eine ungeheure Sensibilität im Umgang mit der grundlegenden Thematik, andererseits beziehen sie gleichermaßen Position – indem sie Fragen stellen. Jene wird jedoch nicht aufgezwungen, was aus dem gleichen Stellenwert der handelnden Charaktere resultiert. So bekräftigt Maura in einer Diskussion mit ihrer Tocher hinsichtlich der Entscheidung in das Feld der Gender-Studies zu gehen:

„You know, I don’t know Leslie. And I don’t know the people in the Gender Studies programme, but I suggest, uh, it’s always wise to steer clear of people who are overly attached to dogma. But that’s. That’s me.“ – Maura in Transparent: Staffel 2

Nichtsdestotrotz scheint der neuen Staffel von Transparent etwas zu fehlen. Obwohl sie durchweg interessant ist, scheint es der dramaturgischen Entwicklung an Liebe zu fehlen. Erst gegen Ende der Staffel entwickelt sich ein originelles Drama, das sowohl stilistisch als auch inhaltlich eigenständig funktioniert. In gewisser Hinsicht mangelt es an dem Charme der ersten Staffel, die zwar in ihrer Aussagekraft schwächer war, jedoch in der Umsetzung einen wesentlich stärkeren Eindruck machte und mit einem größeren Ideenreichtum glänzte. So fehlen jene künstlerischen Eingriffe, die sich in der einzigartigen und vielfältigen Stilisierung der ersten Staffel zeigten und der Handlung eine Seele verliehen.

Wenn durch die Bindung zum Zuschauer ein entsprechend starkes Interesse geweckt wurde, ist Transparent: Staffel 2 der konsequente, nächste Schritt. Die Zielgruppe wird wahrscheinlich einer Generation entsprechen, die mit dieser Thematik großgeworden ist. In gewisser Hinsicht ist sie damit als Zielgruppe ungeeignet, definiert sie doch gerade jener Wandel zur offenen und toleranten Gesellschaft, die mit Transparent verkörpert werden soll. Fraglich, ob Transparent jene Personen erreichen kann, die sich mit dieser Thematik noch nicht auseinandergesetzt haben. Ich hoffe es doch.
3 von 5

Bild: Aus „Transparent“, © 2015 Amazon.com Inc.

 

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