Oscar-Kandidaten 2016: Spotlight

In den vergangenen Jahren stellten Wettquoten immer eine recht verlässliche Vorhersage für die Oscarverleihung dar. Davon ausgehend lässt ein Blick auf die Seite oddschecker.com (eine Seite, um Wettquoten unterschiedlicher Wettanbieter zu vergleichen) das enorme Awardpotential von Spotlight erahnen. In der Kategorie Best Picture hat es bei allen angezeigten Wettanbietern die mit Abstand ‚beste‘ Quote. Kein Wunder, kommt Spotlight dem klassischen ‚Oscarfilm‘ doch sehr nah. Er ist besetzt mit altbekannten, bereits oscarnominierten Schauspielern (Mark Ruffalo, Michael Keaton), behandelt eine wahre Geschichte und ist politisch (aber nicht zu sehr und erst recht nicht kontrovers). Lediglich die Tatsache, dass die behandelten Ereignisse lediglich etwa zehn und nicht bereits 30 oder mehr Jahre zurückliegen, unterscheidet Spotlight von dem, was man klassisch als ‚Oscarbait‘ bezeichnet. Darüber hinaus ist Spotlight auch noch ein wirklich guter Film geworden (zur Kritik). Beste Voraussetzungen, um am 28. Februar im Dolby Theatre richtig abzuräumen.
Eine Einschätzung der Oscarchancen Spotlights nach Kategorien:

 

Best Picture
Ein guter, klassischer ‚Oscarfilm‘ mit starken Leistungen beliebter Darsteller (der Großteil der Academy besteht 5aus Schauspielern), der auch noch offensichtlich den Favoritenstatus innehat (man bedenke die Wettquoten); Spotlight wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Kategorie Best Picture nominiert werden. Auch ein Sieg ist gut möglich. Im Gegensatz zu einigen Konkurrenten wie Mad Max: Fury Road oder The Revenant polarisiert Spotlight deutlich weniger. Nur Wenige finden den Film wirklich schlecht. Im Ranking der Wähler wird es somit oft im Mittelfeld und selten auf den letzten Plätzen auftauchen. Bei dem komplizierten Wahlsystem, mit dem die Academy den Gewinner ermittlelt, ein klarer Vorteil.

 

Best Director: Tom McCarthy
Bei den Golden Globes gelang es McCarthy bereits untern den Nominierten der Kategorie Best Director zu landen 3 5und auch bei vielen Wettanbietern hat er die besten Wettquoten. Offensichtlich scheint die Tatsache, dass Spotlight als Favorit gilt auf den Regisseur abzufärben. Von Vorteil ist auch, dass Tom McCarthy für die Academy kein gänzlich unbekanntes Gesicht ist. Bereits 2010 war er für seine Autorenleistung mit dem Drehbuch von Oben für einen Oscar nominiert. Die guten schauspielerischen Leistungen, die seine Darsteller unter seiner Führung abgaben, sind ebenfalls ein Faktor, der McCarthys Nominierung wahrscheinlich macht.
Zwischen ihm und dem Sieg steht ihm jedoch die Tatsache, dass seiner Regiearbeit das Besondere fehlt. Ähnlich wie Todd Haynes (Regisseur von Carol) inszeniert auch Tom McCarthy seinen Film sehr ruhig. Im Gegensatz zu Haynes allerdings erzählt McCarthy seine Geschichte auch sehr unaufgeregt und mit konventionellen Bildern. Zwar mag dies die richtige Entscheidung für den Film gewesen sein, doch fehlt Spotlight so auch das persönliche Element. Es ist nicht klar als Film von Tom McCarthy erkennbar und so fällt seine Inszenierung nicht deutlich aus der Masse heraus auf.
Eine Nominierung für McCarthy ist also wahrscheinlich, einen Sieg halte ich momentan jedoch eher für abwegig.

 

Darstellerische Kategorien
Bis zum 8. Dezember vergangen Jahres galt eine Nominierung Michael Keatons und Mark Ruffalos in der 3Kategorie Best Supporting Actor als sicher. Beide glänzten im Film mit hervorragenden Leistungen und beide waren bereits für einen oder mehrere Oscars nominiert. Keaton galt letztes Jahr für seine Darbietung in Birdman lange Zeit sogar als Favorit in der Kategorie Lead Actor, muste sich letztendlich aber Eddie Redmayne und dessen Darstellung als Stephen Hawking geschlagen geben.
Als jedoch am 9.12.2015 die Nominierten für die SAG-Awards bekanntgegeben wurden, war der Schock groß: Weder Michael Keaton noch Mark Ruffalo waren nominiert worden. Die Korrelation zwischen Oscarnominierung und Nominierung bei den SAG-Awards ist derart stark, dass man davon ausgehen muss, dass eine Nominierung sowohl Ruffalos als auch Keatons unwahrscheinlich ist. Es ist zu vermuten, dass die beiden sich gegenseitig Stimmen klauten und so keiner der Beiden genügend Stimmen für eine Nominierung sammeln konnte. Ähnlich wird es vermutlich auch bezüglich der Oscarnominierung laufen. Wenn sich aber einer der beiden durchsetzen sollte, dann wohl Keaton, ist er vielen Wählern doch durch seine Leistung vergangenes Jahr noch positiv im Gedächtnis.
Anders als ihren männlichen Kollegen, gelang es Rachel McAdams eine SAG-Nominierung zu ergattern. Ihre Nominierung als Best Supporting Actress bei den Oscars kann somit als wahrscheinlich gelten, folgte in dieser Kategorie in den vergangen fünf Jahren zu 80% aus einer SAG-Nominierung eine Nominierung bei den Oscars.
Ein Sieg McAdams ist aber unwahrscheinlich. Der klare Favorit ist hier Alicia Vikander, die mit ihren Darstellungen in The Danish Girl und Ex Machina gleich zwei Leistungen ablieferte, die – so zeigt die Awardsaison bisher, auszeichnungswürdig scheinen.
Hier haben wiederum Keaton und Ruffalo höhere Chancen. Sollte es einem der beiden gelingen, als Best Supporting Actor nominiert zu werden, so wird er bei der Abstimmung über den Sieger vermutlich auch viele der Stimmen ergattern, die sonst auf den jeweils anderen gefallen wären.

 

Production Design
In den vergangenen zehn Jahren wurde kein Film, der von einer wahren Geschichte aus der jüngeren Vergangenheit 0erzählt, in dieser Kategorie nominiert. Verständlich, gibt das Szenario doch wenig her, um wirklich herausstechendes, besonderes Production Design zu schaffen. Spotlight wird diesen Trend, nicht beenden, ist die Arbeit der Production Designer doch kaum wahrzunehmen.

 

Film Editing
Auch wenn ihre Qualität für Laien nicht offensichtlich sein mag, Tom McArdles Schnittarbeit für Spotlight hat 3 5durchaus Awardpotential. Das beweisen Nominierungen für zahlreiche Kritikerauszeichnungen. Eine Nominierung für einen Academy Award ist folglich durchaus möglich. Die Siegeschancen hingegen kann ich noch schwer einzuschätzen, zu wenig der Konkurrenten sah ich bisher.

 

Best Original Screenplay
Die Drehbücher der meisten Anwärter in der Kategorie Best Picture fallen dieses Jahr in die Kategorie Best Adapted 5Screenplay. Mangels Konkurrenz scheint zumindest eine Nominierung Spotlights in der Kategorie Best Original Screenplay also sicher.
Dem Sieg stehen hier nur Quentin Tarantinos The Hateful Eight und Pixars Alles steht Kopf im Weg. Bedingt durch die eher mäßigen Kritiken, die The Hateful Eight erhielt, läuft es in dieser Kategorie wohl auf ein Rennen zwischen Alles steht Kopf und Spotlight hinaus. Sollte sich Spotlight weiter als Oscarfavorit etablieren, ist von einem Sieg hier auszugehen.

 

Technische Kategorien (Sound Editing, Sound Mixing, Visual Effects)
In den technischen Kategorien werden meistens offensichtliche Kandidaten wie Star Wars oder Gravity 0nominiert. Spotlight könnte alle anderen Kategorien klar dominieren und würde dennoch hier keine Chance haben.

 

Original Score
Howard Shore, der für seine Arbeit an der Herr der Ringe Trilogie bereits drei Oscars gewann, leistet in Spotlight 2 5grundsolide Arbeit. Diese ähnelt sehr der restlichen Inszenierung des Films. Der Score ist unaufgeregt und sticht kaum besonders hervor. Normalerweise würde ich hier niemals von einer Nominierung ausgehen, aber in dieser speziellen Situation ist sie nicht auszuschließen. Zum einen ist Howard Shore den Wählern bekannt und, soweit für Filmkomponisten abseits eines John Williams möglich,berühmt. Zum anderen ist der Film, für den er den Score komponierte großer Oscarfavorit. Eine Kombination, die für eine Nominierung vermutlich ausreicht. Einen Sieg schließe ich aber aus.

Bild entnommen aus  dem Trailer von „Spotlight“,  2015, © Paramount Pictures Germany. 

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